Sylvains Geschichte

 

Es ist nicht leicht 15 Jahre unseres Lebens voller unbeantworteter Fragen zu beschreiben. Wir hoffen aufrichtig, dass der bisherige Lebenslauf unseres Sohnes, allen jungen Eltern, angesichts dieses Syndroms die Zuversicht gibt, dass es trotz harter Diagnose möglich ist zu kämpfen und zu gewinnen, um im Kampf gegen diese Krankheit positive Fortschritte zu erzielen.

 

Das Marinesco-Sjögen-Syndrome setzt  sich aus einer Vielzahl von Symptomen zusammen, welche die Entwicklung des daran leidenden  Kindes stark beeinflussen. Darum waren wir die letzten 15 Jahre bemüht, zu den jeweiligen Symptomen, die am besten geeignete Behandlung  zu finden, obgleich es nicht möglich war, die Grunderkrankung zu behandeln.

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Im Alter von 3 Monaten, hatte Sylvain keinen Augenkontakt mit uns und er verlor sehr schnell das Interesse an seinen Spielsachen. Er schlief viel, sogar während der Fütterungszeiten. Sein Essen kam oft wieder heraus. Mit 6 Monaten konnte er weder den Kopf halten, noch  sitzen. Er litt an  allgemeiner Hypotonie. Trotzdem war er fröhlich und glücklich, lachte oft und erschreckte sich stark bei elektrischem Licht. Er spielte meistens mit seinen Fingern und ließ das Spielzeug beiseite liegen. Er hatte eine skoliotische Haltung und einen  sogenannten angeborenen schiefen Hals, der Dank einer Physiotherapie korrigiert werden konnte. Wir besuchten verschiedene Ärzte und ließen bis zum Alter von einem Jahr  verschiedene Untersuchungen (Ultraschall der Fontanelle, ein Gehirnscanning) machen, doch sie brachten kein konkretes Ergebnis. Wir hatten 3 ½ Jahre lang keine Diagnose bekommen.

 

Sylvain erhielt ab einem Alter von 6 Monaten Physiotherapie. Wir verbrachten die ersten 3 Jahre seines Lebens 3x wöchentlich zuhause  damit, seine Wahrnehmung zu stimulieren. (mit spielen, Musik, Geschichten, Liedern, malen und kneten) und bauten einen Spielbereich aus Schaumstoffmatratzen, um ihn zur Bewegung anzuregen, um herumzurollen und  um fallen zu können, ohne sich zu verletzen. Mit 9 Monaten verbrachte er 2 Nachmittage in der Woche in einer Kindertagesstätte. Sein Physiotherapeut fertigte ihm einen Gipsschalensitz an und von da an hatte er mehr Freude daran, gereichtes Spielzeug zu untersuchen. Dann bekam er  für 11/2  Stunden täglich ein Korsett, damit er sich in einer aufrechten Position halten konnte.

 

 

Im Alter von 3 ½ Jahren schaffte  Sylvain es dann, auf dem Bauch voranzurutschen, indem er die Beine und den Kopf benutzte. Er konnte überhaupt nicht seine Arme und seine Hände benutzen.  Mit 18 Monaten war es ihm möglich, sitzen zu bleiben und er schaffte es, sich mit 3 Jahren alleine aufzusetzen. Mit 2 Jahren war er Tag und Nacht trocken und sauber. Er aß normal, obwohl er in den ersten 2 Jahren Schwierigkeiten zu kauen hatte.  Es war ihm möglich, auf dem Po voranzukommen. Er bekam psychomotorische Übungen in einem Schwimmbad. Er mag sehr gern Wasser.

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In diesem Alter wurde er leicht ärgerlich und launisch, wenn er etwas wollte und nicht selbst erreichen konnte.  Er schrie oft (ein schrilles Kreischen) und sprach nicht. Im Alter von 3 Jahren konnte er Papa, Ma(mam) und eee für Thibault(sein Bruder) sagen. Er brabbelte viel und war schwer zu verstehen.

Dann im Alter von 3 ½ entwickelten sich  Katarakte (Grauer Star). Wir beschlossen ins Necker Kinderkrankenhaus nach Paris zu gehen, wo er von Professor DUFFIER am beidseitigen Grauen Star operiert wurde. Er war dort einen Monat lang im Krankenhaus; während dieser Zeit baten wir um eine genetische Untersuchung. (Professor KAPLAN Abteilung von Doktor Arnold MUNICK).

 

Uns wurde die Diagnose ohne weitere Erklärung mitgeteilt: „Seltene genetische Erkrankung“ – das war alles. Später, mit 4 Jahren, hatte Sylvain ein MRI, welches eine Teil-Atrophie des Kleinhirns aufdeckte und die Störung der Koordination und des Gleichgewichtes erklärte. Er hatte ein weiteres MRI als er 10 war, welches keine Verschlechterung der Ataxie des Kleinhirns aufdeckte.

 

 

Seitdem Sylain 4 Jahre alt ist, trägt er Kontaktlinsen. Er war in einem normalen Kindergarten  und seitdem er 6 Jahre alt ist,  wird er in  einer speziellen Einrichtung in  Marseille,  wo wir seit 10 Jahren leben, therapiert und beschult.

 

 

Der Tag hatte nur 24 Stunden und wir hatten nicht länger die Zeit und die Energie den Rhythmus der ersten 6 Jahre beizubehalten. Auch unser älterer Sohn, Thibault,  brauchte unsere Aufmerksamkeit. Thibaults  Hausaufgaben  zu beaufsichtigen,  während  Sylvain Therapie hatte ( Physiotherapie, Psychomotorik, Sprachtherapie, Beschäftigungstherapie- Ergo-Therapie) war ein Dauerstress. Es war nicht länger möglich.

 

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Seit 1997 bekommt Sylvain eine Behandlung mit synthetischen Wachstumshormonen. Er war zu der Zeit nur 1,20 m groß.  Nun ist er 1,44m groß mit einem Gewicht von 29 kg. Aufgrund dessen hat er wieder zu wachsen begonnen. Außerdem waren seine Knochen sehr zerbrechlich. (Er hatte zahlreiche Brüche der Arme, Ellenbogen und des Handgelenks, verursacht durch Stürze).

Seit der Behandlung scheint es, dass die Knochen stärker werden. Er hat sich in den letzten 4 Jahren nichts mehr gebrochen.

 

Die Jahre sind mit viel Hektik vergangen.  Sylvain  hat die ganzen Jahre hindurch auf körperlicher und intellektueller Ebene Fortschritte gemacht.  Wir haben immer versucht, seine Begabungen möglichst zu optimieren. Wir waren sehr glücklich, dass wir Unterstützung von qualifizierten Fachleuten  hatten, die als Team mit Sylvain arbeiteten: Lehrer und Ausbilder arbeiteten  mit Ärzten und Therapeuten zusammen. Wir sind fest davon überzeugt, dass die Qualität der Betreuung aus der Teamarbeit kommt, von Fachleuten aus allen Bereichen, die bereit sind, Kindern und deren Eltern zuzuhören, und das so früh wie möglich (eine frühe Diagnose).

 

Zuhause kann Sylvain einige Schritte alleine gehen, dann hält er sich an  Möbeln um voranzukommen. Wir haben das Haus verändert, damit das Leben für ihn leichter ist: das Badezimmer mit einem Haltegriff in der Dusche, einen ebenen Eingang, keine Stufen und Treppen für den Ein- und Ausgang. Gegenwärtig geht  Sylvain nicht ganz selbstständig, weil er durch seine Ataxie stark eingeschränkt ist. Wie auch immer, er kleidet sich alleine an, isst, wäscht sich und geht alleine auf die Toilette. Seine Sprache hat sich stark verbessert, er liest  laut flüssig vor und kann schreiben, dank seiner Computer-Tastatur. Er ist jetzt in der 6. Klasse( 1 Jahr weiterführende Schule) in einem Fernkursus der CNED(Centre National

d` Ènseignement à Distance, Frankreich).

 

Um sich fortzubewegen, benutzt er je nach Bedarf ein Laufgestell oder einen Rollstuhl. Er ist in einen Schwimmverein und reitet mit Freunden seines Alters. Er geht auch in einem Therapiezentrum klettern.  Ungeheuer gern nimmt er jedes Jahr für 14 Tage an einem integrierten Ferienlager teil. Er liebt Kino, Videospiele, Musik und fotografieren und ist fasziniert von Delfinen. Er ist empfindsam, vergnügt und heiter, sehr kontaktfreudig,  Er liebt das Leben!

 

In all den Jahren hatten wir Hochs und Tiefs. Sylvain hat uns geholfen,  besonders die Tiefs zu überwinden. Wie wird seine Zukunft sein? Wir wissen es nicht. Wir machen weiter, Schritt für Schritt an seiner Seite und mit ihm, helfen ihm wie Freunde, unterstützt von verschiedenen Seiten. Dies ist in wenigen Worten der Lebenslauf  unseres Sohnes der letzten 15 Jahre.

 

Wir hoffen, dass diese Seite helfen wird, dieses Krankheitsbild bekannt zu machen,  weil wir dadurch besser in der Lage sein werden gegen die Krankheit anzukämpfen, durch Betreuung  der Betroffenen ein möglichst frühzeitiges  Eingreifen  zu erreichen und Familien zu begleiten, die nicht wissen, an wen sie sich wenden sollen. Wir hoffen auch, dass es eine Quelle des Austausches und der Information sein wird, für all jene, die in irgendeiner Weise an diesem Syndrom  interessiert sind.